Blick vom Turm auf die sibirische Taiga (Foto: Karl Kübler, Juni 2015)

ZOTTO - der Turm in der Taiga

Gemäß den Erklärungen der Allianz der Wissenschaftsorganisationen in Deutschland und des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft ist das ZOTTO-Projekt aufgrund des unrechtmäßigen Einmarsches in die Ukraine derzeit ausgesetzt. Die Menschen in der Ukraine verdienen in diesem Moment unsere volle Solidarität! 
Forschungsarbeiten wie das ZOTTO-Projekt sind seit Jahren geplant und werden durch die aktuelle Kriegssituation massiv beeinträchtigt. Wir leben in einer multidimensionalen Welt, und nur mit Hilfe einer engen internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit können die Krisen der Menschheit, wie z.B. der Klimawandel, bewältigt werden. Unsere Solidarität gilt daher auch unseren langjährigen russischen Kooperationspartnern, den Wissenschaftler*innen und Akademikern.
Die technische Zusammenarbeit mit den staatlichen Institutionen der Russischen Föderation wird mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres eingestellt, die Messungen bei ZOTTO laufen jedoch weiter.

Eine wissenschaftliche Plattform in Zentralsibirien zur Erforschung der Biogeochemischen Veränderungen im nördlichen Eurasien

Ein Hotspot im globalen Kohlenstoffkreislauf

Seit mehreren Jahrzehnten beobachten wir Erwärmungstendenzen in der bodennahen Lufttemperatur, insbesondere auf der Nordhalbkugel in den hohen Breiten der borealen und arktischen Zonen. Werden sich diese Trends fortsetzen und was sind Folgen der Erwärmung?

Die riesigen borealen und arktischen Landmassen von Sibirien sind ein wichtiger "Hot Spot" im globalen Kohlenstoffkreislauf. Große Waldgebiete mit Mooren und Permafrostböden charakterisieren die sibirische Landschaft. Die sibirischen Wälder speichern in ihrer Vegetation und den Böden etwa 10% der globalen Kohlenstoffvorräte. Sie tragen zu 5-10% der globalen terrestrischen Netto-Primärproduktion bei, wobei sich 65% der sibirischen Wälder auf Dauerfrostboden befinden.

Die globale Erwärmung könnte Feedbackprozesse im Kohlenstoffkreislauf mit schwerwiegenden Folgen auslösen. Auf der einen Seite führen wärmere Temperaturen zu größeren Vegetationsperioden und damit zu einer erhöhten Kohlenstoffaufnahme. Auf der anderen Seite wird dieser Prozess durch erhöhte Verluste an Bodenkohlenstoff durch verbesserte mikrobielle Aktivität unter wärmeren Bedingungen bis zu einem gewissen Grad wieder ausgeglichen.

Beide Effekte hängen jedoch entscheidend von dem zur Verfügung stehenden Wasser ab und damit von der sich ändernden Niederschlagsmenge und deren Verteilungsmuster. Weitere kritische Prozesse, wie Störungen durch Feuer und Insekten, sind auch vom Klimawandel betroffen und schließlich enthält der sibirische Permafrostboden große Mengen an organischem Kohlenstoff. Dieser könnte durch das Auftauen als Kohlendioxid oder Methan in die Atmosphäre freigesetzt werden.

Wie schnell und wie stark diese Rückkopplungsprozesse wirken und welche davon dominieren, ist noch offen und eine der dringendsten wissenschaftlichen Fragen. Obwohl direkte anthropogene Einflüsse in dieser Region derzeit noch relativ überschaubar sind, gewinnen Änderungen in der Landnutzung und im Management immer mehr an Bedeutung, vor allem durch den erhöhten Holzeinschlag und die Umleitung des sibirischen Flüsse zur Bewässerung in der Landwirtschaft weiter im Süden. Solche Eingriffe verändern nachhaltig die borealen Ökosysteme und wirken sich auf die regionalen Emissionen von Treibhausgasen aus, mit wahrscheinlich globalen Folgen.

Warum hohe Türme?

Während in der Nacht die unteren Schichten der Atmosphäre stark von den Atmungsprozessen am Boden beeinflusst werden, gewährleistet der 304 Meter hohe Turm, dass an der Turmspitze Spurengaskonzentrationen gemessen werden können, die für die freie Troposphäre repräsentativ sind. Turmmessungen integrieren atmosphärische Signale über sehr große Flächen, hier in einer Größenordnung von 106 km2. Sie erlauben neben der Erhebung meteorologischer Variablen auch Messungen der vertikalen Konzentrationen und der Durchflussmengen von Spurenstoffen.

Die Messungen

Die Beobachtungen umfassen kontinuierliche Gasmessungen von CO2, CH4, CO, NOx und Ozon in verschiedenen Höhen des Turms und meteorologische Standardmessungen (Wind, Temperatur, Feuchtigkeit und Luftdruck). Darüber hinaus wird die Isotopenzusammensetzung der Luftproben analysiert (Verhältnisse stabiler Isotope: 13C/12C, D/H, 15N/14N, 18O/16O, sowie 14C und 18O auf CO2 und CH4). Weiterhin ist eine Vielzahl zusätzlicher Spurenstoffe von biogeochemischem Interesse (Aerosoldichte und Größenspektren), welche von verschiedenen Partnergruppen gemessen werden.

Die Messdaten werden in umfassende Simulationsmodelle integriert und sowohl mit Satellitenmessungen der Atmosphäre und Landoberfläche als auch mit in-situ Waldbiomasse-Bestandsdaten abgeglichen.

Weiterführende Literatur:

Mikhailov et al. (2015). Chemical composition, microstructure, and hygroscopic properties of aerosol particles at the Zotino Tall Tower Observatory (ZOTTO), Siberia, during a summer campaign. Atmos. Chem. Phys., 15, 8847-8869

Heimann, M. et al. (2014). The Zotino Tall Tower Observatory (Zotto): Quantifying Large Scale Biogeochemical Changes in Central Siberia. Nova Acta Leopoldina NF, 117(399), 51-64.

Winderlich et al. (2014). Inferences from CO2 and CH4 concentration profiles at the Zotino Tall Tower Observatory (ZOTTO) on regional summertime ecosystem fluxes. Biogeosciences, 11, 2055-2068

Chi et al. (2013). Long-term measurements of aerosol and carbon monoxide at the ZOTTO tall tower to characterize polluted and pristine air in the Siberian taiga. Atmos. Chem. Phys., 13, 12271-12298

Heintzenberg et al. (2013). Mapping the Aerosol Over Eurasia From the Zotino Tall Tower. Tellus B 2013, 65, 20062

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